Die Idee, das Stück auf das Gelände der Kulturbrauerei zu bringen, ist schon über zehn Jahre alt. Die Faszination für den Stoff ist hier sogar noch älter, wie Jonas Sippel, Schauspieler am RambaZamba Theater erzählt. Er hatte Jacob Höhne, den Leiter des Theaters, auf den Film aufmerksam gemacht. Aus seiner Begeisterung für den Autoren der Musical-Vorlage, Richard o’Brian, wurde so eben eine ganze Inszenierung. Und für die könnte 2025 als Jubiläumsjahr des Films nicht passender sein, findet Jonas.
Am 27. September 2025 feierte die „Rocky Horror Drag Show“ Premiere am RambaZamba. Die Bearbeitung der Drag-Show für die Theaterbühne ist eigentlich naheliegend – das betont auch Dragqueen Judy La Divina, die in der Produktion mitspielt: „Ich finde, Drag passt super zum Theater. Leider sehen wir das nicht oft genug. Aber zum Glück gibt es ein paar innovative Orte, wo das möglich ist.” Einer dieser Orte ist das RambaZamba, Regie führt bei dieser Inszenierung Jacob Höhne.
Schattentheater, Videoarbeit, Lip-Sync und Tanzeinlagen
Während das Publikum in der ersten Hälfte der Inszenierung noch verhalten auf Zurufe und Choreografien reagiert, wird es rasch vom lebendigen Durcheinander und den zielsicheren Bewegungsabläufen auf der Bühne angesteckt. Judy La Divina, die schon in mehreren Theaterproduktionen gespielt hat, findet diese erste Unsicherheit des Publikums nicht weiter schlimm: „Wir können ein Publikum erreichen, das uns normalerweise nicht begegnen würde. Darin liegt etwas Schönes – unsere Geschichten, unsere Erzählungen und unsere Existenz werden nahbar und menschlich für die Zuschauer:innen, sodass wir nicht nur eine Schlagzeile sind.”
Dabei nutzt die Inszenierung auch die große Chance, das politische Bestreben und den Hintergrund der Drag-Kultur aufzunehmen. Die Bühne des RambaZamba wird kurzerhand zum Schloss umfunktioniert und wird so zum Zuhause derjenigen, „die in den Familien, in die sie geboren wurden, nicht die sein können, die sie sein wollen”. Stattdessen bietet dieser Ort die Möglichkeit, eine Gemeinschaft zu bilden, in der man gemeinsam feiert und den Abend verbringt. Nur Reis werfen ist nicht erlaubt, denn „Mother is not going to clean that up”.

Sonst gibt es in der Inszenierung fast alles: Schattentheater, Videoarbeit, Lip-Sync und Tanzeinlagen. Aus Brad wird in charmanter Bearbeitung der Berliner Bernd, der mit seiner Freundin Janett, gespielt von Juliana Götze, zunächst durch die Irrwege der Berliner BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) stolpert, bevor beide vom Ensemble auf der Bühne willkommen geheißen werden.
Die Inszenierung folgt in großen Teilen der Dramaturgie des Films und setzt auf bekannte Charaktere, Blutspritzer und Verführung, denen aber vom Ensemble neuer Glanz verliehen wird. Besonders die Kostümierung (Beatrix Brandler, Kaur Hensel, Reflektra) fällt ins Auge, die – passend zu einer Dragshow – einen ganz eigenen Stellenwert für die Inszenierung einnimmt. Die Erschaffung von Rocky, anmutig gespielt von Zora Schemm, ist schließlich ein vorläufiger Höhepunkt des Spektakels – gehüllt in ein goldenes Kleid, wird sie von allen bewundert.
Jacob Höhne hat sich in der Konzeption des Abends insbesondere mit Immersion und Innovation auseinandergesetzt: „Wir bringen Drag ans Theater […], aber nicht in der Form, dass die Dragshow vorne auf der Bühne in einer Black-Box stattfindet und wir sie als unbeteiligte Zuschauer konsumieren, sondern dass wir sie wirklich erleben.” Das bedeutet auch, dass das Publikum sich an alle gewöhnlichen Regeln einer Dragshow halten muss. Judy zählt diese nochmal auf: „Lächle, das ist das Allerwichtigste. Du kannst laut sein und auf dem Stuhl tanzen; und wenn du nicht berührt werden willst, dann berühre dich selbst, aber so, dass du es fühlen kannst.”
Spielerische Interaktion
Körpernähe und Sexualität spielen eine große Rolle. Nicht nur werden Brad und Janett von der „Mutter“ des Hauses verführt, sondern auch Rocky und Janett treffen in der Umkleide nah aufeinander. Auf die Frage, wie man eine explizite Vorlage wie die „Rocky Horror Picture Show“ entlang der Grenze zwischen Publikum und Bühne inszeniert, antwortet Jacob Höhne: „Im RambaZamba lösen sich diese Grenzen ganz schnell auf, wodurch man in eine ganz andere Form der Immersion kommt.”

Gemeinsames Tanzen mit dem Publikum ist nur einer der Wege, die sonst sehr starre Trennung zwischen Sitzplätzen und Bühnenkante zu durchbrechen. Durch spielerische Interaktionen und Zurufe ist keine Vorstellung wie die andere, auch das ist das Prinzip der Show, die gerade wegen bewusster Nacktheit und erotischer Filmsequenzen ein Safespace für alle bleibt und bleiben muss.
Ohne Drag-Performer:innen zu arbeiten, stand dabei auch von vornherein außer Frage, so Höhne. Für Judy ist die Spontanität, die dafür notwendig ist, ganz natürlich. Die dadurch entstehende Bindung zum Publikum beschreibt sie so: „Wir haben ein Publikum, um etwas zu fühlen, um etwas zu denken, um etwas auszuhalten. Ich erlaube ihnen, zu sein, zu tanzen, zu schreien.“
Jonas Sippel wünscht sich, dass das Publikum aus diesen Interaktionen mit einem guten Gefühl und einer neuen Erfahrung nach Hause geht. Und, dass die Berliner Kultur, wie sie in der Adaption gezeigt und fühlbar gemacht wird, nicht verschwindet. Das ist eine Zuversicht, die man angesichts dieses Engagements nur teilen kann – gerade in Zeiten, in denen die Berliner Kultur finanziell um ihre Zukunft kämpft.
Die Zitate von Judy De Lavina wurden aus dem Englischen übersetzt.

Malin Kraus. Foto: Helene Payrhuber
Malin Kraus ist als Regisseurin wie Journalistin tätig. Sie aktuell an der HU Berlin zum Thema „Zeitlichkeit“ in Neuerer deutscher Literatur. Sie ist Teil des Spontankollektivs working girls und gibt gemeinsam mit Rahel Bueb den „DISPUT“, ein Magazin für Literatur, Journalismus und Fotografie, heraus. Im November 2025 hat ihr Stück „Female Laboratory of the Future“, eine deutsch-ukrainische Ko-Produktion mit dem Lesi Theater in Lwiw, Premiere. Im Januar 2026 zeigt sie das Stück „Latexstudien I-IIII“ am Pathos Theater München zu Münchner Arbeiterinnenschaft.