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Beruf

Der Rüstmeister: Feuer und Waffen

Berufe-Check: Was kann man alles am Theater machen? Was macht zum Beispiel ein Rüstmeister und wie kommt man zu diesem Beruf? Autorin Henrike Wagner hat Achim Bitzer in der Rüstmeisterei der Staatstheater in Stuttgart (Schauspiel Stuttgart, Staatsoper Stuttgart, Stuttgarter Ballett) besucht. Dort entstehen Ideen für Zündeleien und Zaubertricks für alles, was auf der Bühne gefährlich aussehen soll.

Foto oben: Paula Stietz
Beitrag von: am 21.10.2025

Die Augen von Achim Bitzer glänzen, als er durch das volle Lager streift. Zweieinhalbtausend Schwerter und Messer liegen hier, verschiedenste Schusswaffen und Granaten – kurzum: alles, was auf der Bühne gebraucht wird, damit ein Bösewicht auch wirklich furchteinflößend aussieht. Und natürlich die Helme und Rüstungen. Von diesen leitet sich auch Achims Berufsbezeichnung ab: Er ist seit 26 Jahren Rüstmeister an den Staatstheatern in Stuttgart. Angefangen hat er als Bühnentechniker in Esslingen und kam als Aushilfe für die Requisite an die Staatstheater. Als in der Abteilung der Rüstmeisterei etwas frei wurde, hat er seine Chance ergriffen. Als ehemaliger Zeitsoldat kannte er sich mit Waffen aus, auch seine Vorkenntnisse vom Messebau kamen ihm im Umgang mit den Maschinen zugute.

„Das ist so Learning by Doing“, sagt Achim, „denn Rüstmeister als Lehrberuf gibt es gar nicht mehr.“ Gerade noch 50 Rüstmeister:innen soll es laut Achim im deutschspachigen Raum geben. Mit fünf Mitarbeiter:innen an den Staatstheatern Stuttgart macht seine Abteilung also zehn Prozent der Gesamtmenge an verfügbaren Rüstmeister:innen aus. Eine Rüstmeisterei kann sich nicht jedes Haus leisten, oft übernimmt die Requisite oder die Beleuchtung alle Aufgaben rund um Waffen und Spezialeffekte. Spezialeffekte? Ja, denn die Rüstmeisterei in Stuttgart ist auch für Pyrotechnik zuständig. Hierfür gibt es intern sogar eine extra Ausbildung. Nur so können kleinere Zündeleien als Zaubertrick inszeniert und fünf Meter hohe Feuersäulen für die Bühne erprobt werden.

Wenn es sein muss, rennt Achim auch selbst als brennender Mensch im feuerfesten Anzug über die Bühne. „Das ist halt auch so ein Erlebnis, was du sonst nicht kriegst“, lacht er. „Es war am Schluss so, dass das Unterhemd etwas angekokelt war, aber da bist du so aufgeregt und stolz, dass es dir eigentlich nichts ausmacht.“ Auch wenn Achim nicht auf der Bühne zu sehen ist: Er und seine Kolleg:innen sind immer dabei, wenn Pyrotechnik im Einsatz ist oder geschossen wird. In den meisten Fällen schießt nämlich gar nicht der/die Schauspieler:in selbst, der Schuss wird neben der Bühne abgefeuert.

Die Rüstmeisterei in Stuttgart ist für alle Sparten der Staatstheater zuständig, für Schauspiel, Oper und Ballett. Um einen Chor von 70 Leuten auszustatten, braucht es ein entsprechendes Kontingent. Allein bei den Waffen müssen alle geschichtlichen Epochen abgedeckt sein. In Achims Sammlung findet sich vom klassischen Bajonett der Französischen Revolution bis zur Original Kalaschnikov aus dem Kosovo Krieg quasi alles.

Natürlich ist alles sicher und bürokratisch reglementiert: Jedes Gewehr und jede Pistole, die auf der Bühne benutzt wird, hat einen Stempel und ein Dokument. Achim Bitzer und sein Team bereiten die Waffen so auf, dass sie wirklich nicht mehr schießen und auch nicht mehr entsprechend hergerichtet werden können, alles abgesegnet vom Bundeskriminalamt, dem Amt für öffentliche Ordnung und dem Beschussamt. „Man macht die Batterie raus, zwickt die Kabel, und dann geht nichts mehr“, sagt Achim mit Blick auf ein Maschinengewehr. Bei so viel Verantwortung braucht man ein gutes Führungszeugnis und eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“. Also: nachweislich keine bösen Absichten.  Alle Geschütze, die den „Waffen-TÜV“ nicht mehr bestehen, werden verschrottet, eingeschmolzen – und als Gullydeckel wiedergeboren.

Da Achim im letzten Jahr seinen Vorsitz als Abteilungsleiter abgegeben hat, hat er Zeit zum Tüfteln. Seine neueste Erfindung: eine zur Rauchmaschine umfunktionierte E-Zigarette. „Für sowas musst du halt noch Kind und irgendwie nie richtig erwachsen geworden sein“, erzählt er lachend. Wenn er bald in Rente geht, will er privat weitermachen. „Ich habe viel Kontakt zu anderen Theatern, ich werde die ganze Zeit gefragt: Wie macht ihr das?“ – und dann gibt Achim gerne Antwort. 

Voraussetzungen und Ausbildung: Der Beruf des:der Rüstmeister:in wird nicht ausgebildet. Oft wird diese Tätigkeit von Beschäftigten ausgeübt, die einen Metallberuf erlernt haben und besonderes Interesse an Waffen- und Rüstungskunde sowie an Kunst- und Kostümgeschichte mitbringen. Auch der Beruf des:der Requisiteur:in kann eine Grundlage sein.

Dieser Artikel ist in der jungen bühne #17 erschienen.

Porträt Henrike Wagner

Henrike Wagner. Foto: Lilly Timme

Henrike Wagner studierte zunächst Musikwissenschaft und Philosophie an der Universität Heidelberg bis sie ihr Studium an der Hochschule für Musik im Bereich Musikjournalismus fortsetzte und dieses zu Beginn des Jahres 2024 abschloss. Kurz danach wurde sie Teil der Orchesterdirektion des Badischen Staatstheaters Karlsruhe.