Kritik

Digitales Schauspielschultreffen

Das Treffen der deutschsprachigen Schauspielschulen kann dieses Jahr nur digital stattfinden. Unserem Autor Jens Fischer gefiel die Eröffnungsinszenierung der gastgebenden Wiener MUK zumindests filmisch sehr gut.

Foto oben: Wolfgang Simmler
Beitrag von: am 23.06.2021

Das Wiener Volkstheater war als gastgebende Austragungsstätte bereits zugesagt, Catering im Museumsquartier organisiert und auch für jeden Teilnehmenden ein Hotelzimmer reserviert. Aber wegen Corona verlagerte sich die Festivalplanung ins Digitale. Daher starten Studierende von 19 Schauspielschulen, den Mitgliedern der Ständigen Konferenz Schauspielausbildung, ihren ersten großen Auftritt im Verborgenen. Mehr als 300 angehende Darstellungskünstler aus der Schweiz, Deutschland und Österreich können erstmals beim Bundeswettbewerb deutschsprachiger Schauspielstudierender nicht gemeinsam in einem Theater mit den Kommilitonen die Aufführungen anschauen und vor Ort diskutieren. Die 32. Festivalausgabe findet auf einer nur den Eingeladenen zugänglichen Website statt. Auf Antrag dürfen auch vereinzelt Fachzuschauer mitgucken, also Theatervertreter, die gleich mal jemanden wegengagieren könnten, oder wir Journalisten, die gleich mal jemanden zum Wegengagieren in den Schauspielhimmel loben könnten.

Podiumsdiskussionen und Workshops werden live gestreamt aus der ausrichtenden Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK). Vernetzungs-Meetings sowie ein Off-Festival von und für Studierende finden in interaktiven Foren statt. Jedes teilnehmende Ausbildungsinstitut präsentiert im Wettbewerb eine maximal dreißig Minuten lange Aufzeichnung ihrer Filme, Theaterstücke, Improvisationen oder Hörspiele. Jurys vergeben Preise in der Gesamthöhe von 38.000 Euro.

Zur Eröffnung zeigt das MUK, wo sich 270 Lehrende um 850 Studierende kümmern, den Film „Tach(e)les“, der unter Leitung der ungarischen Filmregisseurin und Drehbuchautorin Ildikó Enyedi entstand. Text und Story hat sie mit dem Ensemble aus dem 3. Ausbildungsjahrgang erarbeitet: einen locker kompliziert werdenden Abend im Wiener Kulturcafé Tachles. Das junge Schauspielseptett gibt Menschen ihresgleichen im umgangssprachlichen Jargon. Zu sehen sind also Figuren am Start in einen Job oder schon zum ersten Karrieresprung, zudem probieren sich alle in Sachen Liebe und Beziehung aus, suchen nach Identität. Da kämpft eine Frau aus Einsamkeitsangst darum, ihren Lover zu halten, ein Mann versucht mit Anflügen von Rassismus eine Position der Stärke aufzubauen. Das Spiel der Hände zeigt immer mehr als die Worte sagen. Gefilmt wird im realen Kneipen-Setting wie mit der Live-Cam auf einer Theaterbühne. Eingefangen ist das Geschehen im dokumentarischen Duktus mit schonungslosen Nahaufnahmen, immer etwas wackelig, immer wieder unscharf, häufig kontrast- und lichtarm. Die einzelnen Geschichtsfragmente werden gekonnt in einer Konzertszene zusammengeführt. Handwerklich ist das alles prima, künstlerisch eher unambitioniert, schauspielerisch überzeugend genau. Das Ensemble könnte sofort für eine TV-Serie engagiert werden.

Wie gut der Film tatsächlich ist, zeigt sich beim zweiten Wettbewerbsbeitrag, der szenischen Collage „Wenn nicht jetzt, fang an.“ der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Eher unfreiwillig lächerlich und gar nicht lustig sind ihre Versuche, Rollenklischees wie Karrierefrau oder machoblöder Mr. Möchtegern-Cool zu ironisieren. Text, Spiel, Film und Kostüme wirken wie das Probenergebnis eines Stadttheater-Jugendclubs. Keine Werbung für das Schauspielstudium in Frankfurt.

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