Story

Ein unglaublich toller Beruf

Vor 15 Jahren haben Franziska Beyer, Philipp Moschitz und Pablo Sprungala ihr Schauspielstudium an der Theaterakademie August Everding abgeschlossen. Wir haben uns online zum Gespräch getroffen und über das gemeinsame Studium und ihren Traumberuf gesprochen. Über gute und weniger gute Erinnerungen, die Realität nach dem Studium und darüber, was sie zukünftigen Student:innen mit auf den Weg geben würden.

Foto oben: Philipp Moschitz (c) Joel Heyd, Franziska Beyer (c) Ken Werner, Pablo Sprungala (c) Nils Schwarz
Beitrag von: am 01.10.2023

Wo seid ihr gerade? Und wie ist eure momentane Arbeitssituation?

FRANZISKA Ich bin seit 2020 fest im Ensemble des Tübinger Landestheaters. Gerade hat die Spielzeit wieder angefangen und ich probe „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ von Isobel McArthur nach Jane Austen. Dazu kommen die Proben für unser Eröffnungsfest, Wiederaufnahmen und Umbesetzungsproben. Ist also schon richtig was los gerade.

PABLO Ich bin in München und arbeite freischaffend, hauptsächlich im Film und Fernsehen. Letztes Jahr habe ich mal wieder Theater gespielt, aber das ist bei mir eher eine Ausnahme. Momentan ist es bei uns so, dass ich mich mit meiner Frau, die Opernregisseurin ist, abwechsle beziehungsweise abstimme. Gerade inszeniert sie in Schweden, drum kümmere ich mich um unsere beiden Kinder. Deshalb drehe ich gerade weniger, arbeite aber immer wieder als Schauspielcoach, weil sich das gut mit der familiären Situation vereinbaren lässt.

PHILIPP Ich arbeite frei als Theater-Schauspieler und -Regisseur. Gerade bin ich in Berlin und schreibe an meiner „Cabaret“-Fassung für das Stadttheater Ingolstadt. Weil das in Berlin spielt, wollte ich den Text vor Ort schreiben. Ich habe einen tollen Deal mit der Regisseurin Alia Luque, dass wir ab und zu Wohnung tauschen, ich ihre Wohnung in Berlin nutze und sie meine in München. Als nächstes inszeniere ich die Absolventenproduktion der Theaterakademie am Münchner Prinzregententheater, danach eben „Cabaret“ in Ingolstadt und dann „Im weißen Rössl“ in Darmstadt.

Wenn ihr euch an euer Studium erinnert: Was war so wie erwartet? Und was komplett anders?

FRANZISKA Bevor ich den Studienplatz bekommen habe, war ich Regieassistentin am Theater in Weimar. Drum war ich schon total in dieser Theatermühle – und wusste zum Beispiel gar nicht, dass man mit diesem Studium auch Film und Fernsehen machen kann. Ich hatte einen sehr idealistischen Theateranspruch. Dass wir erstmal an die eigene Spielfähigkeit und Fantasie rangegangen sind, hat mich positiv überrascht. Ich komme aus einer sehr bodenständigen Familie und habe immer gedacht: Das ist toll, dass ich mich hier künstlerisch austoben darf, aber danach kann ich ja noch Sozialpädagogik studieren. Aber dann kam das Erstengagement am Staatstheater Dresden und das zweite und dritte – und jetzt denke ich: Anscheinend mach ich doch das Richtige.

PHILIPP Ich bin als Kind über meine Family ans Theater Osnabrück gekommen und habe dort früh Statisten- und Kinderrollen gespielt. Ich wusste damals schon, wo der Hase hinläuft und dass ich unbedingt Schauspieler werden will. Ich wollte wie meine Vorbilder in Osnabrück studieren und dann in ein Festengagement gehen, um alle klassischen Rollen rauf und runter zu spielen. Dieses Bild hat sich durch die Schauspielschule in München komplett verändert. Da habe ich dann zum ersten Mal gedreht, und das Metropoltheater kam als freies Haus in mein Leben. Ich wusste vorher nicht, dass es auch eine freie Szene gibt – und da hat sich eine Weiche umgestellt. Das war der Weg, auf den ich gekommen bin: die bewusste Entscheidung, frei zu bleiben und nicht in ein Engagement zu gehen.

PABLO Ich komme aus einer Schauspieler-Familie: Mein Vater war Schauspieler, meine Oma und mein Uropa waren Opernsänger:innen. Ich kannte das alles also. Ich habe die Zeit mit der Klasse und den Leuten sehr positiv in Erinnerung, aber mit der Herangehensweise hatte ich Probleme. Ich fand das teilweise sehr technisch und wenig bestärkend, sondern sehr kritisch. Das hat mir viel Spaß genommen.

PHILIPP Das habe ich ganz anders erlebt. Für mich war die Schauspielschule total gut. Ich habe schnell gecheckt, von wem ich was bekomme und was ich wie für mich nutzen muss, um weiterzukommen. Ich wurde gefördert und bin da sehr positiv rausgegangen.

PABLO Ich glaube, dass es wahrscheinlich für jeden eine passende Schule gibt. In der Realität kann man sich die ja nicht aussuchen, sondern muss sehen, wer einen aufnimmt. Es gab wirklich viele tolle Sachen an der Schule, aber ich glaube, für mich wäre eine andere besser gewesen. Ich habe mich eingeengt gefühlt, drum habe ich mich auch gegen das Theater entschieden. Ich schätze es beim Film und Fernsehen, dass man seine Rolle eigenständiger entwickeln kann. Ich spiele zwar immer wieder gerne Theater, aber ein Festengagement wäre eher nichts für mich. Mich hat die Schauspielschule eher zum Fernsehen getrieben. Ich habe nach dem Abschluss fest in einer Serie – der „SOKO Leipzig“ – angefangen, und das war genau das, was ich damals wollte.

Was war ein Moment, der euch besonders positiv in Erinnerung geblieben ist?

PHILIPP Unsere Dernière von „Don Juan“!

FRANZISKA Subjektive Wahrnehmung!

PHILIPP Das war eine Sommerproduktion in der Alten Münze – und wir haben uns einfach geliebt. Und in diesem Moment haben wir uns besonders geliebt und lustige Dernièren-Gags gemacht. Zum Beispiel haben wir der Franzi Nacktbilder von uns in die Tasche gesteckt. Normal waren da Bilder der tausend Frauen des Don Juan – und dann fand sie da ihre Kommilitonen naked. Ja, das war ein sehr schöner Moment.

Für dich auch, Franzi?

FRANZISKA Ich hab das Schauspielen ja immer sehr ernst genommen. Und das war so ein Gag, mit dem sie mich eiskalt erwischt haben. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht. Ich wusste nicht, ob ich heulen soll oder ob es mich zerreißt vor Lachen.

PABLO Das Schönste daran war eigentlich das Nackt-Shooting, das wir vorher gemacht haben.

FRANZISKA Nein, das Schönste kam später. Ich habe mir nämlich ein paar von den Bildern eingesteckt. Für unser Diplom habe ich die dann kopiert, diese Szene nachgespielt und die Bilder ans Publikum gegeben. Aber das haben sie mir dann auch verziehen.

 

Die drei früher : Philipp Moschitz (c) Fabian Isensee, Franziska Beyer (c) Alia Luque, Pablo Sprungala (c) unbekannt

 

Würdet ihr das Studium nochmal machen?

PABLO Ja. Als ich letztes Jahr mal wieder Theater gespielt habe, „Cyrano de Bergerac“ am Alten Schauspielhaus Stuttgart, da habe ich gemerkt, was ich im Studium alles gelernt habe. Ohne diese Ausbildung hätte ich diese große Rolle nicht hingekriegt.

PHILIPP Definitiv ja. Man erfährt in diesem Studium viel über sich selbst, muss sich wahnsinnig intensiv mit sich beschäftigen. Da kommen viele Gedanken und Impulse in den Körper und die Seele. Ich war 19, als ich angefangen habe, also sehr jung. Für mich war das eine der wichtigsten Zeiten meines Lebens, ich habe da eine Klarheit über mich selbst gefunden.

FRANZISKA Ich würde es auch auf jeden Fall wieder tun, vielleicht aber ein bisschen stolzer. Ich war damals ziemlich unsicher, habe mich oft fehl am Platz gefühlt. Es ist eine große Chance, so gut gewappnet in diesen Beruf zu gehen, weil man ein gutes Handwerk hat und auf die verschiedensten Regiehandschriften reagieren kann.

Wo wärt ihr gerne in 15 Jahren?

PHILIPP Ich möchte eigentlich so weitermachen wie bisher. Ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut und diesem breit aufgestellten Ding, das ich mir da erarbeitet habe. Diese Vielschichtigkeit, dass ich spielen kann und inszenieren, mal Musiktheater und mal Schauspiel machen kann, die tut mir gut. Das ist spannend, und so soll es wenn möglich weitergehen.

PABLO Ein bisschen mehr Sicherheit käme mir gelegen. Wenn man Familie hat und beide Elternteile sind freiberuflich, denkt man schon mal über eine feste Serie oder so nach. Es läuft gut bei uns, aber vielleicht wäre das doch mal wieder was. Und auch ein bisschen mehr Theater, das hat mir letztes Jahr so viel Spaß gemacht.

FRANZISKA Ich würde tatsächlich gerne mal was drehen oder mehr Synchron machen. Das ist natürlich schwierig, wenn man in einem Festengagement ist. Ich fühle mich sehr wohl hier in Tübingen, könnte mir aber inzwischen auch wieder einen Wechsel vorstellen. Außerdem wünsche ich mir, das in Zukunft noch mehr Frauen 40+ in Stoffen und auch guten Besetzungen auf den Bühnen zu sehen sind – und ich würde gerne in einer Stadt mit Straßenbahn leben.

Was würdet ihr Studienanfänger:innen von heute mit auf den Weg geben?

PABLO Ich würde alle ermutigen, das zu versuchen, die das wollen. Natürlich ist es schwer, aber es ist ein unglaublich toller Beruf. Tatsächlich würde ich aber allen den dringenden Rat geben, es an einer staatlichen Schule zu versuchen. Da bekommt man einfach die profundeste Ausbildung, ohne Unsummen dafür zu bezahlen. Und dann: Go for it!

PHILIPP Ich empfehle es Leuten, wenn die Leidenschaft so groß ist, dass man nicht anders kann. Wenn man nicht vom Theatergeist infiziert ist, würde ich sagen: Macht es nicht. Der Beruf ist hart und verlangt krasses Durchhaltevermögen. Die Konkurrenz ist riesengroß, gerade jetzt nach der Erhöhung der Mindestgage. In der Konsequenz kostet jetzt ein:e erfahrenere:r Kolleg:in gar nicht mehr so viel mehr als ein:e Absolvent:in – und die Theaterleute greifen dann doch öfter auf die Erfahreneren zurück. Darum: Nur wer wirklich auf die Bühne muss! Dann aber auf jeden Fall.

FRANZISKA Da bin ich ganz bei den beiden. Es gehört ein großes Maß an Idealismus dazu, aber es lohnt sich, weil es – für mich – der schönste Beruf der Welt ist.

 

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