Die Bühne ist ein Cockpit, fast wie aus Star Trek, inklusive zweier überdimensionaler Raumschiff-Sitze. Am Fenster ziehen Sterne vorbei. Statt Spock und Kirk sitzen in diesem Raumschiff aber Akos (Precious Wiesner) und Essinam (Florence Adjidome).
Die beiden jungen Schwarzen Frauen wollen weg – weg von der Erde, weg vom Alltagsrassismus im Bus, weg vom Übersehen werden oder Erniedrigungen. Ein Rosa Parks-Zitat zu Beginn verdeutlicht ihre Gründe: „Ich wollte nur frei sein. Ich wollte nicht immerzu gedemütigt werden, wegen etwas, auf das ich keinen Einfluss hatte: Die Farbe meiner Haut.“
Mehr als die Glühbirne
Akos und Essinam wollen einen neuen Planeten finden, auf dem es keine Hegemonie oder Marginalisierung gibt. Sie wollen es besser machen als die Europäer, die unter anderem Afrika kolonisierten. Es gibt keine Bibel, Flagge oder gewaltvolle Verdrängung, falls sie auf Aliens treffen, so ihre Vorstellung. Was sie stattdessen mitnehmen: die Errungenschaften Schwarzer Erfinder:innen, die die eurozentrische Geschichtsbildung gerne mal übersieht.

Jeder kennt Thomas Edison, schließlich hat er die Glühbirne erfunden – in ihrer Grundidee. Der Mann, der die Glühbirne jedoch alltagstauglich und aller Welt zugänglich machte, war ein anderer: Lewis Howard Latimer. Nicht so bekannt? Das ist kein Zufall, denn er war Schwarz. Insgesamt 16 solcher Erfinder:innen listen Akos und Essinam auf. Immer wieder spielen sie „Ich-Packe-Meinen-Koffer“, berichten dabei von weiteren Personen und ertappen das Publikum in seiner Unkenntnis. Der Grund, dass Mary Beatrice Davidson Kenner (Erfinderin des Monatsbinden-Vorläufers), Alice H. Parker (Erfinderin der Zentralheizung) oder Marie Van Brittain Brown (Erfinderin des Sicherheitssystems für Wohnhäuser) weitestgehend unbekannt sind, ist klar: eine systematische Unterdrückung dieser Schwarzen Held:innen.
TikTok im wirklichen Leben
Auf ihrer Reise durchs All spielen Akos und Essinam Quizspiele zu White Tears (ein Phänomen, bei dem weiße Menschen als Abwehrreaktionen in Rassismus-Debatten mit einem Ungerechtigkeits-Gefühl reagieren) und Umgekehrten Rassismus („ein Mythos“), sie machen Aerobic, tanzen und singen zu Retro-Hip-Hop, Afrobeats und Beyoncé, manchmal auch zu traditionellen Tänzen. „Wie viele weiße Freund:innen hast du?“ fragt Essinam Akos. Betretene Stille. Die Abwechslung macht das Stück informativ und zugleich unterhaltsam.
In einer Stunde schafft Preach, was eine Schule häufig nicht erreicht: Sie klärt über Schwarze Geschichte und Phänomene des Rassismus auf, kritisiert weiße Privilegien und schafft es über Musik und Tänze, ein Gefühl Schwarzer Kultur zu vermitteln. Auch die Sprache von Akos und Essinam trägt dazu bei: Sie ist gespickt mit Anglizismen: girl, you know what, minding my own business, period.
Songs und Szenen wechseln schneller als man swipen kann. Es ist wie TikTok im wirklichen Leben, perfekt abgestimmt auf ein trainiertes Gen-Z-Gehirn. „K(no)w Black Heroes“ hält dabei doch die Balance, wirkt nicht überfordernd oder gehetzt, die Monologe und Dialoge brechen den rasanten Algorithmus. Auch wenn sich manche Zwischensequenzen, in denen bei gedimmtem Licht wie im Stopp-Tanz wild herumgelaufen wird, nicht ganz erschließen – das ist dann wohl der „Brainrot“ als Auswirkung übermäßigen Medienkonsums. Ein nachhallendes Gedicht von May Ayim holt schließlich vom All zurück auf die Erde, denn weglaufen sei keine wirkliche Option. Stattdessen appelliert es ans Publikum weiter „grenzenlos und unverschämt“ Freiheit für Schwarze Kultur zu fordern.
Die Uraufführung von „K(no)w Black Heroes“ fand 2023 am Schauspiel Hannover statt.

Merle Zils. Foto: privat
Merle Zils, geboren 2001, ist in Norddeutschland aufgewachsen, studierte Medienwissenschaften im Bachelor in Hamburg und macht nun ihren Master in Kulturjournalismus an der Hochschule für Musik und Theater in München. Sie schreibt gern über Theater, Musik und Popkultur für die Junge Bühne, den schleswig-holsteinischen Zeitungsverbund und die taz. Am liebsten beschäftigt sie sich mit Kultur, die gesellschaftliche Diskurse aufgreift und anstößt.