in einem Kreis stehen mehrere Personen. Die Szenerie wirkt wie bei einem Hexenritual

Kritik

„Maria Magda“ am Münchner Volkstheater

Jessica Weisskirchen inszeniert Svenja Viola Bungartens „Maria Magda“ als feministische Umkehr christlicher Machtverhältnisse.

Premiere am 2. März 2024

Foto oben: Gabriela Neeb
Beitrag von: am 03.03.2024

Es geht einigermaßen spooky zu in diesem Internat für schwer erziehbare Mädchen mitten in einem dunklen Wald. Eine Mitschülerin – oder muss man sagen: Insassin? – ist kürzlich spurlos verschwunden, die Oberschwester fährt auf ihrem Dreirad durch die Szenerie wie der kleine Danny in Stanley Kubricks Horrorfilm „Shining“ durch die Hotelgänge. Sie umkreist die Mädchen, schickt sie zur Strafe zum Holzhacken in den Wald. Die erzählen sich derweil in der Dunkelheit der Nacht ihre eigenen Horrorgeschichten im Strahl ihrer Taschenlampen. Diese speisen sich aus der Geschichte des Christentums, in der es nun mal für Frauen nicht unbedingt immer rosig aussah, seit Maria durch den Dornwald ging.

Die Autorin Svenja Viola Bungarten unterzieht das Christentum in „Maria Magda“ einer kritischen, feministischen Überprüfung. Jessica Weisskirchen hat das Stück jetzt am Münchner Volkstheater inszeniert und schafft gemeinsam mit dem Choreografen Michael Bronczkowski und Bühnen- und Kostümbildnerin Wanda Traub ein alptraumhaftes Schreckensszenario. „Wer die Geschichte hat, hat die Macht“, heißt es immer wieder im Text. Nicht nur wurde die Bibel von Männern geschrieben, auch in den Machtstrukturen der katholischen Kirche haben Frauen nichts zu sagen. Maria wurde ohne ihr Einverständnis im Schlaf geschwängert (man darf sagen: vergewaltigt), im Mittelalter wurden Aufmüpfige als Hexen verbrannt und bis heute gilt die Priesterweihe für Frauen in der katholischen Kirche als ausgeschlossen.

Dramatisches Potenzial

Die Geschichten bieten jede Menge dramatisches Potenzial, da liegt die Idee nahe, das Thema auch theatral von einem jungen, großteils weiblichen Team durchleuchten zu lassen. Feministische Überschreibungen misogyner Überlieferungen und Dramen liegen voll im Trend, und so schleicht sich hie und da ganz leise der Gedanke ein, dass da einem Hype hinterher gerannt wird. Aber: Was hier in aller Härte ausgesprochen wird, macht nachdenklich, auch wenn es in seinen Grundlagen nicht neu ist. Und auch optisch ist jede Menge los an diesem Abend.

Eine Stimme aus der Dunkelheit führt das Publikum in eine surreale Welt der Dunkelheit und warnt gleich zu Beginn: „Die Geschichte ist immer eine Geschichte der Gewalt“ und „Wir setzen auf Ihren klaren, ungetrübten Blick. Wir setzen auf Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Denn ich bin all das, was Sie befürchten“. Die da spricht, ist die verschwundene Mirjam, eine der jungfräulichen Schläferinnen, die im Schlaf von Gott übermannt und vergewaltigt wurden, um „einen Sohn mit einem gekrönten Kopf“ zu gebären. Pia Amofa-Antwi spielt diese Mirjam, die zunächst als schwangerer Geist durch die Träume ihrer Nachfolgerin, Maria, spukt, sie warnt und sich am Ende zur glitzernden Gottheit eines neuen weiblichen Zeitalters erhebt, zu „Ma Donna Ha“ (eine Heilige mit Ähnlichkeiten zur amerikanischen Feministin Donna Haraway).

Wanda Traub hat einen schrägen Ring in den Raum gebaut, eine Art Bannkreis mit einem stählernen Bett im Zentrum. Dort kauern die drei Mädchen, Maria, Magda und Hildie in ihren weißen Nachthemden, erzählen sich ihre Geschichten und spekulieren über das, was hier vorgeht. An diesem Ort, an dem Hexen verbrannt und Jungfrauen geschwängert wurden. Ruth Bohsung, Anne Stein und Maral Keshavarz gelingt es famos, die Dynamiken unter den dreien zwischen pubertären Eifersüchteleien und Solidarität auszutarieren.

Historisches, Übersinnliches und feministische Theorie

Bungarten greift tief in die Assoziationskiste, verwebt Historisches und Übersinnliches mit feministischer Theorie. Da schleicht ein kleiner Junge in goldenem Tuch mit einem Kuschel-Lamm durch die Nächte, der seinem göttlichen Vater neue Mütter für neue Geschwister zuführen will. Da erscheint schließlich Silas Breiding als Gott, für den die Rollenverteilung vollkommen klar ist. Er selbst erstrahlt auf ewig in Herrlichkeit, doch Maria, die „kleine Bitch“, soll sich gefälligst nicht beschweren und sich seinem Willen fügen: „Auch du wirst eine Figur sein, zu der man beten kann, wenn man Kummer hat oder irgendwas mit Kindern. Das werden deine Bereiche sein. Was willst du mehr? Der Kummer und irgendwas mit Kindern. Ihr werdet das irgendwann Care-Arbeit nennen.“

Doch die Frauen wollen sich nicht länger fügen, ermächtigen sich zu kraftvollen heiligen Hexenwesen, feiern ihre eigenen Messen und drehen den Spieß um. Selbst die Oberschwester (Patricia Litten) stellt sich schließlich auf die Seite der Mädchen. Zu einer Techno-Version des Adventslieds „Maria durch ein Dornwald ging“ schwängern sie nun den gefallenen Gott, schreiben neue alternative Enden dieser Geschichte. Alles wird etwas konfus, gerät aus den Fugen. Trotz gewisser dramaturgischer Schwächen macht „Maria Magda“ Spaß und lädt ein zu einem Trip ins Unbewusste des christlichen Abendlandes.

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