Jüdisches Theater in Berlin – Ausstellung eröffnet
Mit der Shoah löschte der nationalsozialistische deutsche Staat mit der Unterstützung des deutschen Volkes das jüdische Leben in Europa, in Deutschland und in Berlin größtenteils aus. Jedoch finden sich immer wieder Spuren jüdischer Kultur aus der Zeit von vor 1945. Mitten in einem unscheinbaren Wohngebiet mit Bauten aus der Nachkriegszeit in der Kommandantenstraße in Berlin-Kreuzberg zum Beispiel. Hier steht ein Denkmal der Bildhauerin Susanne Ahner, dass an das Theater des Jüdischen Kulturbunds und seine Mitarbeiter:innen erinnert.
Ein Team um Klaus Wichmann, ehemaliger Technischer Direktor der Staatsoper Unter den Linden und des Berliner Ensembles, hat zum 83. Jahrestag der Schließung des Theaters am 11. September 1941 durch die Gestapo eine Open-Air-Ausstellung entwickelt, die noch bis zum 22. September zu sehen ist und über die Geschichte des Theaters aufklären möchte. Auf neun Plakaten, die an Bauzäunen aufgespannt sind und um den Gedenkstein aufgestellt wurden, können Interessierte und Passant:innen sich mit dem jüdischen Theaterleben in Berlin bis zu seiner Vernichtung auseinandersetzen.
Die Menschen hinter und neben der Bühne
Das Theater des Jüdischen Kulturbunds wurde als Reaktion auf die Gesetze der Nationalsozialist:innen zu deren Unterdrückung 1933 gegründet und war das letzte Theater Berlins, in dem jüdische Künstler:innen, Bühnenarbeiter:innen und Angestellte noch arbeiten und jüdische Zuschauer:innen noch besuchen durften. Die Gestapo nutze das Theater vorerst, um die jüdische Theaterszene zu kontrollieren, und schloss es schließlich 1941. Fast alle Mitarbeiter:innen wurden direkt oder über Umwege in das KZ Auschwitz deportiert.
Ausstellungsinitiator Klaus Wichmann ist es dabei wichtig zu betonen, dass es ihm mit dieser Ausstellung nicht um die großen Stars des Theaters des Jüdischen Kulturbunds geht, sondern um die Menschen, die den Betrieb erst möglich machen. Die unbekannten Menschen hinter und neben der Bühne. Die meisten von ihnen wurden nach dem 11. September 1941 über das Durchgangslager Westerbork und das Ghetto Theresienstadt ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet. Anders als manche der großen Stars der Unterhaltungsindustrie hatten sie nicht die Chance, ins Ausland zu fliehen und dort im Exil zu überleben.
Die Ausstellung zeigt die Ergebnisse von Klaus Wichmanns einjähriger Archivrecherche in Berlin. Mit alten Fotografien von Mitarbeiter:innen, Theaterräumen und Ankündigungsplakaten, sowie mit kurzen Erklärungstexten ermöglicht sie einen kleinen Einblick in die jüdische Theaterszene Berlins ab 1900 bis zu den Theatern in den KZs des deutschen Terrorstaates. Angereichert wird das Ganze eindrücklich mit literarischen Texten unter anderem von Franz Kafka, Kurt Tucholsky, Camilla Spira und Paul Celan, die den Besucher:innen den Verlust europäisch-jüdischer Kultur durch die Verbrechen des Nationalsozialismus vor Augen führen.
Auf den Plakaten finden sich die Namen aller Mitarbeiter:innen des Theaters und auch während der Eröffnungsrede wurden sie genannt. Das hinterlässt einen bleibenden Eindruck und verdeutlicht das Ziel dieser Ausstellung: Die Namen sollen nicht vergessen werden.
Die Ausstellungen möchte einen wichtigen Aspekt der Theatergesichte Berlins und die Menschen, die daran beteiligt waren, beleuchten, damit sie nicht weiter in Vergessenheit geraten. Umso eindrücklicher ist, dass die Ausstellung an dem Ort stattfindet, an dem das Theater gestanden hat und an dem sich heute ganz normale Wohnhäuser befinden. Die öffentliche Exposition des Gedenksteins wird nochmal deutlich verstärkt durch die Ausstellung, ein gelungener Ansatz auf die Geschichte des Ortes hinzuweisen.
Mehr als auf die Geschichte des Theaters des Jüdischen Kulturbunds und auf die Geschichte des Standorts hinzuweisen, schafft die Ausstellung aber nicht. Sie möchte auf die unbekannten Menschen aufmerksam machen, die für das Theater des Jüdischen Kulturbunds gearbeitet haben. Doch man lernt nicht viel über ihre Biografien und Schicksale. Über den ersten Schritt, dem Nennen von Namen und dem Zeigen von einzelnen Fotos, kommt die Darstellung nicht hinaus. Es fehlt eine inhaltliche Tiefe.
83 Jahre nach der Schließung des Theaters und der damit verbundenen Ermordung vieler jüdischer Menschen und erst zehn Tage nachdem in zwei deutschen Bundesländern eine rechtsradikale Partei ohne Not zur stärksten und zweitstärksten Kraft gewählt wurde, wäre die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte gerade wichtig. Trotzdem lohnt sich ein Besuch der Ausstellung ganz klar. Allein schon, um diesen Ort kennenzulernen und die Spannung zwischen dem ruhigen Wohngebiet und einem Ort der Vernichtung zu erleben.
Wer es nicht zu der Ausstellung schafft, kann sich die Inhalte auch online anschauen.
_________
Tim Wedell wurde 2002 in Bremen geboren. Nach einem FSJ am Theater Bremen nun ein Studium der Deutschen Literatur und Sozialwissenschaften an der HU Berlin. Neben dem Studium hat Tim Wedell immer wieder Ausflüge ans Theater gemacht mit Hospitanzen am Maxim-Gorki-Theater Berlin und dem Berliner Ensemble bei Robert Borgmann, Leonie Böhm und Sebastian Nübling. Das Interesse liegt dabei besonders im politischen Theater.